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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 23.12.2003
Aktenzeichen: 17 UF 265/03
Rechtsgebiete: CC, BErzGG
Vorschriften:
CC Art. 146 | |
CC Art. 156 | |
CC Art. 433 | |
CC Art. 438 | |
BErzGG § 9 |
2. Unter Anwendung des gemeinsamen italienischen Heimatrechts kann auch der Bezug von Erziehungsgeld die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten vermindern. § 9 Bundeserziehungsgeldgesetz steht dem insoweit nicht entgegen.
3. Zur Bestimmung des Notbedarfs des getrennt lebenden Ehegatten nach italienischem Recht.
Oberlandesgericht Stuttgart - 17. Zivilsenat - - Familiensenat -
Geschäftsnummer: 17 UF 265/03
Beschluss
vom 23. Dezember 2003
In der Familiensache
wegen Ehegattenunterhalt
hier: Prozesskostenhilfe für die II. Instanz
hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Strohal, des Richters am Oberlandesgericht Streicher und des Richters am Oberlandesgericht Grauer
beschlossen:
Tenor:
Dem Kläger wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Böblingen (18 F 677/03) vom 26. September 2003 verweigert.
Gründe:
Dem Kläger ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Böblingen zu versagen. Sein mit der Berufung weiter verfolgtes Klagebegehren, keinen Unterhalt an die Beklagte zahlen zu müssen, verspricht in der Sache keinen Erfolg.
Der Höhe nach zutreffend hat das Amtsgericht der Ehefrau einen Unterhalt in Höhe von derzeit monatlich € 342,00 zugesprochen.
1.
Die Parteien, die am 20.04.2001 die Ehe geschlossen hatten, sind seit 01.08.2001 faktisch getrennt lebende Eheleute italienischer Nationalität, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Ihr gemeinschaftliches Kind C., geb. am 31.01.2002, lebt bei der Mutter, die es versorgt und betreut.
Im Verfahren (18 F 1603/01) schlossen die Eheleute am 19.12.2001 vor dem Amtsgericht Böblingen im vorausgegangenen Unterhaltsrechtsstreit einen Vergleich mit welchem sich der Ehemann verpflichtete, monatlich € 255,00 Unterhalt an die Ehefrau zu zahlen. Am 26.06.2002 wurde die persönliche Trennung der Eheleute vom Familiengericht in Böblingen ausgesprochen und mit Urteil vom 26.11.2002 durch Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (17 UF 197/02) die Verantwortlichkeit der Ehefrau für die Trennung festgestellt, weil sie die Ehewohnung ohne rechtfertigenden Grund verlassen hatte.
Auf Klage des Mannes vom 14.05.2003 hat das Amtsgericht mit vorliegendem Urteil zunächst die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich ab Dezember 2002 für unzulässig erklärt. Auf die Widerklage der Ehefrau hat es dann den Ehemann verurteilt, monatlichen Unterhalt in Höhe von € 342,00 zu zahlen. Letzteres will der Mann mit seiner beabsichtigten Berufung anfechten. Er will keinerlei Unterhalt mehr zahlen. Im Übrigen nehmen die Parteien das Urteil jeweils hin.
2.
Soweit das Familiengericht allgemein die unterhaltsrechtlichen Vorschriften des gemeinschaftlichen italienischen Heimatrechts wegen eines vermeintlich ausnahmslos geltenden Unterhaltsausschlusses für einen für die Trennung verantwortlichen Ehegatten als mit dem deutschen ordre public unvereinbar ansieht, trifft dies so nicht zu.
Das italienische Recht kennt zwei Arten von Unterhaltsansprüchen aus familienrechtlichen Verhältnissen (übersichtlich Wendl/Staudigl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 7, Rn. 58, 59).
Zunächst leiten sich die Unterhaltsansprüche unmittelbar aus dem familienrechtlichen Verhältnis ab. Sie sind gerichtet auf die wirtschaftliche Beistandspflicht der Ehegatten, die beiderseits durch Vermögen, Beruf und Hausarbeit zum Unterhalt beizutragen haben (Art. 143 codice civile = mantenimento). Sie beschränken sich nicht auf das für das Überleben nötige, sondern dienen dazu, den Berechtigten in angemessenem Umfang - bedürftigkeitsorientiert - am Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen teilnehmen zu lassen. Sie setzen eine Notlage nicht voraus (vgl. dazu insgesamt Hohloch, Internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht 1998, Italien, Rn. 138). Man kann diesen Unterhaltsanspruch am ehesten mit einem Bedarf nach den eheangemessenen Verhältnissen umschreiben. Daneben - und dies hat das Amtsgericht übersehen - gewährt das italienische Recht grundsätzlich immer dann, wenn bei bestehender Ehe kein Anspruch auf eheangemessenen Unterhalt besteht einen Anspruch auf den notwendigen Unterhalt (Artt. 433 ff. cc = alimenti). Dieser setzt zwingend das Vorliegen einer Notlage voraus und ist seinen Voraussetzungen nach in der Bedürftigkeitsprüfung deutlich strenger (Art. 438 cc). Er deckt nur den unentbehrlichen Lebensbedarf unter Berücksichtigung der Stellung des Berechtigten (vgl. gleichfalls Hohloch, a.a.O.). Dies rechtfertigt allerdings keine Anwendung des deutschen ordre public auf die italienischen Sachnormen, denn auch das deutsche materielle Unterhaltsrecht kennt vergleichbare Fälle der Herabsetzung oder Versagung eines Unterhaltsanspruchs (BGH FamRZ 1991, 925, 927; Johannsen/Henrich, Eherecht 4. Aufl., Art. 18 EGBGB, Rn. 35 m.w.N.).
3.
Des weiteren sind im italienischen Recht die Trennungsbegriffe zu unterscheiden. Die bloß faktische Trennung, die rechtlich zumeist bedeutungslos ist (weil grundsätzlich dieselben Normen weiter gelten wie beim Zusammenleben der Ehegatten), ist von der förmlichen persönlichen Trennung zu unterscheiden.
Während das italienische Recht im Rahmen der bloß faktischen Trennung regelt, dass der Anspruch auf mantenimento des Ehegatten, der sich ohne berechtigten Grund (z.B. Erhebung der Trennungsklage) von der Familie trennt, ruht (Art. 146 cc), ist streitig, ob das Recht auf alimenti gleichfalls und zwar nach Art. 146 cc analog ruht. Der überwiegende Teil der Literatur lehnt dies - entgegen einer Entscheidung des Kassationshofs vom 25.10.1978 (vgl. dazu Jayme, IPRax 1982, 30) - nach wie vor ab (so Gabrielli in Schwab/Henrich, Familiäre Solidarität, 1997, S 110).
Der vorliegende Fall liegt allerdings anders, weil die persönliche Trennung der Eheleute gerichtlich ausgesprochen (separazione personale giudiziale) und der Ehefrau im Schuldspruch die Verantwortlichkeit für die Trennung angelastet worden ist. Bei einer derartigen Sachlage entfällt für sie der bedürftigkeitsabhängige Anspruch auf eheangemessenen Unterhalt nach Art. 156 cc (mantenimento). Dagegen bleibt ihr Anspruch auf alimenti bei bestehendem Eheband, das auch im Trennungsverfahren nicht aufgelöst wird, unberührt (Hohloch, a.a.O., Rn. 140; Gabrielli, a.a.O., S. 110). Diese Anspruchsgrundlage hat das Familiengericht übergangen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH in FamRZ 1991, 925) für Fälle, in denen das anzuwendende ausländische Recht jeglichen Unterhaltsanspruch - auch für besondere Härtefälle - versagt, ist daher nicht einschlägig. Dabei liegt auf der Hand, dass die Ehefrau durch die Betreuung des knapp 2 Jahr alten gemeinsamen Kindes nicht in der Lage ist, durch eigene Erwerbstätigkeit ihren Lebensbedarf zu sichern und sie sich deshalb in einer wirtschaftlichen Notlage befindet, weil auch über anderweitige Einkunftsquellen nichts bekannt geworden ist. Auf die Betreuungsangebote des Klägers oder Dritter kann sie insoweit derzeit nicht verwiesen werden.
Das Familiengericht hat für die Beklagte keinen Bedarf bestimmt. Der Ansatz eines notwendigen Selbstbehalts des Nichterwerbstätigen in den Süddeutschen Leitlinien mit € 730,00 enthebt das Familiengericht nicht von seiner Verpflichtung, unter Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts den Bedarf konkret zu bemessen. Das Vorgehen des Familiengerichts mag darin begründet sein, dass die Entscheidung eine Anspruchsgrundlage für den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht enthält. Italienische Rechtsvorschriften sind jedenfalls nicht benannt. § 1570 BGB, der für förmlich getrennte italienische Eheleute nicht einschlägig sein kann, scheidet gleichfalls aus. Aber auch eine Anwendung des § 1361 BGB dürfte vom Amtsgericht nicht gewollt gewesen sein, wie die rechtskräftig gewordene Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 19.12.2001 zeigt. Denn wenn der Anspruch aus § 1361 BGB nach Auffassung des Amtsgerichts fortbestünde, hätte es keinen Anlass gegeben, einen insoweit bereits bestehenden Vollstreckungstitel zu beseitigen.
Der Senat bemisst vorliegend den Notbedarf der Beklagten in Anlehnung an die alimenti des italienischen Rechts mit monatlich € 650,00, bestehend aus einem Barbedarf in der Größenordnung von € 290 und einem Wohnbedarf in Höhe von € 360. Hierauf hat sie sich aus Billigkeitsgründen das von ihr bezogene Erziehungs-geld mit monatlich € 307,00 anrechnen zu lassen, weil in Höhe dieses Bezugs eine Notlage abgewendet wird. § 9 BErzGG steht dem unter Anwendung der Rechtsgrundsätze des gemeinsamen Heimatrechts nicht entgegen. Ungedeckt bleiben somit monatlich noch € 343,00.
3.
Letztlich schuldet der Kläger jedoch Unterhalt auf der vorliegenden Grundlage nur nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Grenze für den Verpflichteten ist danach dann überschritten, wenn ihm nicht mehr genügend Mittel verbleiben, um den eigenen lebensnotwendigen Unterhalt zu bestreiten (Hohloch, a.a.O., Rn. 145). Insoweit ist nicht angegriffen, dass das Amtsgericht dem Kläger von seinem Nettoeinkommen in Höhe von € 1.700 zunächst monatliche Beträge zur Zahlung von Prozesskostenhilferaten in Höhe von € 90,00 belassen hat. Der Kindesunterhalt für C. ist hingegen lediglich in Höhe des Zahlbetrags abzugsfähig (SüdL 23.1). Dass das Amtsgericht dem Kläger die im Selbstbehalt von € 840,00 enthaltenen Wohnkosten von € 360,00 um weitere € 240,00 erhöht hat und insoweit nicht untersucht hat, ob diese Überschreitung vermeidbar ist, kann auf sich beruhen, nachdem die Beklagte das Urteil so hinnehmen will. Jedenfalls bleibt auf jeden Fall eine Leistungsfähigkeit beim Kläger, die den im anzufechtenden Urteil der Höhe nach zu Recht ausgeworfenen Unterhalt abzudecken vermag.
Bei dieser Sachlage weist die beabsichtigten Berufung des Klägers, der keinen Unterhalt zahlen will, keine Erfolgsaussicht auf. Auch der Umstand, dass das Urteil des Amtsgerichts zum Anspruchsgrund und zum Maß des Unterhalts der Beklagten keine verwertbaren Grundlagen enthält, begründet für den Kläger keine zusätzliche Beschwer, nachdem das Amtsgericht seine Unterhaltsverpflichtung lediglich im Rahmen einer allgemeinen Leistungsfähigkeitsbetrachtung abgerechnet hat und ihm dies zukünftig bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Erhebung einer Abänderungsklage offen hält. Sein Gesuch ist daher zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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